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Die Landschaft ändert sich und die Berge werden höher.

Wir arbeiten uns gerade auf schlechter Piste zum Kaldama Pass auf 2.880 m hinauf, als wir an einem Auto mit kirgisischem Kennzeichen vorbeikommen. Es ist ein Mietwagen mit vier Palästinensern. Sie haben einen Platten und kein Reserverad mit. Noch dazu sind ihre Reifen komplett abgefahren. Wolfgang packt unseren Kompressor aus und pumpt den kaputten Reifen auf, um das Loch zu finden. In dem Moment hält ein Geländeauto einer geführten Reisegruppe neben uns. Der Guide flickt den Reifen rasch mit seinem Reparaturset und fährt schon weiter, als wir den Reifen wieder aufpumpen. Die Palästinenser sind sehr dankbar und schenken uns als Dankeschön ein paar Bananen.

Pannenhilfe

Am knapp 3.000 m hohen Kök-Art Ashuusu Pass bläst ein kalter Wind. Wir gehen ein paar Meter zu einem kopflosen Vogeldenkmal hinauf, wo gerade eine kirgisische Großfamilie einen Fotostopp einlegt. Als wir dazu stoßen, sind erstmal wir ihr wichtigstes Fotomotiv. Die Erwachsenen dürften schon reichlich Vodka getankt haben, aber sie sind freundlich und wir scherzen mit ihnen. Sie bieten uns Vodka an, aber wir müssen noch Autofahren und sie haben sofort Verständnis dafür. Die 0,00-Promille-Grenze scheint in Kirgistan streng beachtet zu werden.

"Gipfeltreffen"

Das Panorama ist herrlich. Es erinnert uns ein bisschen in Osttirol, nur ist alles viel größer und kaum besiedelt. Als wir wieder im Tal unten sind, ist es nicht mehr weit bis zu unserem heutigen Übernachtungsplatz an einem Nebenarm des Naryn-Flusses, einem der längsten Flüsse Zentralasiens. Bevor wir das Zelt aufbauen, fahren wir ins Flussbett, um unser Auto vom ärgsten Staub zu befreien. Die Pisten haben uns heute ganz schön eingenebelt. Zum Abendessen gibt’s eine Jause mit geräuchertem Fisch. Am Nachthimmel bilden sich mehrere Gewitterzellen, die uns zum Glück nur streifen. Die Temperaturen sind etwas kühler als zuletzt.

Malerische Blumenwiesen

Nächsten Tag geht’s über Holperpisten zum Song Köl See. Der Weg führt über Schotterpisten, die meistens in ganz gutem Zustand sind. Wir haben eine ordentliche Fahrstrecke vor uns, knapp 6 Stunden reine Fahrzeit. Die Strecke führt parallel zum Naryn-Fluss und über den Kara-Koo Ashuusu Pass (2.770 m).

Passstraße Nein, keine Bleistiftzeichnung. Die Berge sehen wirklich so aus!

Im letzten nennenswerten Ort Kok-Djar/Akkyl erstehen wir noch ein paar Lebensmittel. In dem kleinen Geschäft gibt es mehr Vodka zu kaufen als irgendetwas anderes.

Die Straße windet sich auf über 3250 m hoch (Moldo Ashuu) und führt dann leicht bergab. Vor uns liegt eine riesige Hochebene (3.000 m). Der erste Blick auf den See ist grandios. Er liegt in der Mitte der Hochebene und die grünen Wiesen ringsum sind gesprenkelt mit Jurten, Schafen, Ziegen, Pferden und Kühen. Es ist wunderschön, aber ungewohnt kühl. Wir haben am späten Nachmittag nur 17 °C.

Jurten, Pferde, Wiesen, See, Berge

War der Weg bis hierher eine Schotterpiste, so führt jetzt ein Wiesenweg um den See. Das Schmelzwasser hat tiefe Gräben hinterlassen, die wir manchmal umfahren und manchmal durchqueren müssen. Es geht vorbei an Jurten, die für Touristen eingerichtet sind. Da und dort scheinen schon Gäste einquartiert zu sein.

Jurten

Im Nordwesten des Sees wird die Landschaft hügeliger und anspruchsvoller. Die Straße führt über mehrere Hügel steil bergauf und bergab. In einer einsamen Bucht fahren wir direkt an den See hinunter. Unser Platz ist schön gelegen, aber es wäre noch schöner, wenn sich kein Regen ankündigen würde. Rasch bauen wir die Markise mit den Seitenteilen auf, damit wir einen trockenen Platz zum Sitzen haben.

Unser erster Platz am Song Köl

Es gibt heute Spaghetti mit Thunfisch und Petersilie. Schnelle Küche, denn es ist schon spät und das Wetter ungemütlich. Um 20 Uhr hat es bereits auf 7 °C abgekühlt. Einstellige Temperaturen haben wir seit wann nicht mehr gehabt? Tja, vermutlich seit der Türkei im April.

Am nächsten Morgen sind hinter dem Berg schon wieder dunkle Regenwolken zu sehen und nach dem Frühstück fängt es an zu tröpfeln. Wir packen rasch unsere Sachen zusammen, denn wir wollen den Standplatz wechseln. So abgeschieden diese Ecke auch ist, man steht in einer engen Bucht und sieht links und rechts nur Felsen. Wir wollen wieder hinaus auf die Ebene, mit Blick auf die Wiesen, Jurten und Tierherden.

So fahren wir einige Kilometer retour und suchen uns ein nettes Plätzchen in der unendlichen Ebene. Umgeben von Pferden, Schafen, Kühen und Nomaden.

Unser zweiter Platz am Song Köl

Auf der Wiese wachsen Edelweiß, nicht nur ein paar, sondern büschelweise auf großen Flächen. Offenbar werden sie von den Weidetieren verschmäht. Wir pflücken uns eines und pressen es in einem Buch.

Edelweiß in Hülle und Fülle

Von Zeit zu Zeit ziehen Kuhherden an uns vorbei. Die Jungtiere sind sehr neugierig, aber scheu. Einmal nutzen sie das Auto als Kratzbaum, da genügt es, dass wir mit den Armen fuchteln, und sie nehmen Reißaus.

Wer möchte auch so einen Arbeitsplatz?

In der Sonne ist es sehr angenehm, auch wenn die Luft kalt ist (17 °C). Am Nachmittag verdunkelt sich der Himmel und ein heftiger Wind treibt den Regen über uns hinweg. Wir sind froh, dass die Markise mit dem Vorzelt so stabil ist, denn die Windböen sind ganz schön heftig. Nach einer guten Stunde wird der Himmel heller und bald lacht wieder die Sonne vom Himmel. So genießen wir den Abend im Freien. Wir sind immer noch fasziniert von der kilometerweiten Ebene.

Nächsten Morgen ist es sonnig. Wir machen uns Frühstück, das weichgekochte Ei braucht auf 3.000 m genau 3:30 Minuten. Danach setzen wir uns in die Sonne, lassen uns von den Kühen und Pferden inspizieren und saugen die frische, klare Luft ein. Die Höhe macht uns mitunter etwas zu schaffen, vor allem wenn wir beim Fotografieren die Luft anhalten.

Ob es uns hier so gut gefällt, weil es ähnlich aussieht wie in Österreich? Vielleicht. Aber im Vergleich zu den Österreichischen Alpen ist hier alles noch viel größer, höher, weiter, mehr. Der Song Köl See liegt auf 3.000 m, misst 20 km im Durchmesser, ist umringt von schneebedeckten Viertausendern und einer endlos scheinende grünen Ebene, auf der Kühe, Pferde und Schafe grasen; die Edelweiß-Wiesen nicht zu vergessen – ja, hier wachsen Edelweiß wie bei uns daheim der Löwenzahn. Dazwischen stehen die Jurten, deren weiße Planen in der Sonne glänzen.

Am nächsten Tag verlassen wir den See. Wir fahren vom Westufer über den Süden zum Ostufer. Im Süden und Osten ist der See „touristisch“, dh es gibt einige Jurtencamps, manche mit mehreren Gästejurten und vielen Autos davor. Aber egal wie viele Touristen hier untergebracht sind, sie verlieren sich in der großen Weite des Hochplateaus.

Wir verlassen die Hochebene über die kürzeste Strecke im Osten, die über einen kleinen Pass mit 3.200 m führt. Dort blühen schöne Blumen und man hat einen beeindruckenden Blick auf die Straße, die sich in vielen Serpentinen nach unten windet. Naryn, wo wir heute übernachten, liegt auf 2.000 m.

Passstraße im Osten des Song Köl Glockenblumen Blumen

Als wir die asphaltierte Straße erreichen, heißt es wieder aufpassen wegen der Polizei. Wir tuckern langsam hinter einem Einheimischen hinterher und haben schon mehrmals überlegt, ihn zu überholen, als wir zu einer Polizeikontrolle kommen. Wir müssen beide anhalten. Da wir außerhalb des Ortsgebiets sind, unter 50 km/h fuhren und das Licht eingeschaltet hatten, sind wir sicher, nichts falsch gemacht zu haben. Der Polizist kommt zu uns, grüßt uns freundlich auf Kirgisisch und verlangt Papiere, Dokumente, Passport, usw. Wir stellen uns dumm, reden auf Deutsch mit ihm, dass unsere Pässe bei der Botschaft sind und wir nicht wissen, was er mit „Docs“ meint. Wir fragen ihn auch höflich, ob er Englisch spricht, was er mit lachendem Gesicht verneint. Das Spiel geht noch eine Weile so dahin, dann lässt er uns weiterfahren. Unsere erste Verkehrskontrolle haben wir also ohne Schmiergeldzahlung überstanden.

In Naryn suchen wir ein Hostel, bei dem wir im Auto schlafen können. Die Plätze, die in iOverlander eingezeichnet sind, scheinen alle geschlossen zu sein. Wir fahren daher zum CBT Office und fragen dort nach einem Übernachtungsplatz. Die Leiterin des Community Based Tourism Office ist sehr nett und total auf zack. Sie telefoniert ein wenig herum und rasch haben wir einen Platz bei einem Homestay, wo wir im Garten das Auto abstellen können.